Die Zeit
Deutschland zu Beginn der 1960er Jahre: Der 2. Weltkrieg liegt noch keine zwei Jahrzehnte zurück, der Kalte Krieg hat längst begonnen. Mit dem Wiederaufbau steigen die Ansprüche im Wirtschaftswunderland: Das Auto, moderne Möbel und ein Italienurlaub sind Ausdruck für ein verändertes Lebensgefühl. Die Emanzipation führt zu einer Neudefinition der Geschlechterrollen. Das ganze Land befindet sich im Umbruch.
Butzbach,
Kreis Friedberg, 10.000 Einwohner, mittelalterliche Stadt am Nordosthang des Taunus, 12 km nördlich von Bad Nauheim, Auffahrt zur Autobahn Frankfurt – Kassel. Günstige Bahn-, Kleinbahn- und Omnibusverbindungen.
Geschichtliche Funde aus fünf Jahrtausenden. Alter Marktplatz mit herrlichen Fachwerkbauten, Stadtmauer mit Wehrgang, landgräfliches Schloß, St.-Markus-Kirche mit Landgrafengruft, St.-Wendelins-Kapelle mit kunstvollem Schein, St.-Michaelis-Kapelle mit Heimat- und Trachtenmuseum.
Einst landgräfliche Residenz, heute das emporstrebende Industriezentrum von Oberhessen mit mehreren Schuhfabriken und sonstiger
Lederverarbeitung, landwirtschaftlicher Maschinenfabrik, Werke für Eisenverarbeitung und -aufarbeitung, Schweißwerken, Schleifmittelindustrie, Nudel- und Konservenfabrik, Farbenfabrik, Druckereien.
Deutsches Handbuch für Fremdenverkehr
1961 im Januar
Ein Werbetext verschweigt – natürlich – die Schattenseiten:
Die Verkehrsanbindung belastet die Kleinstadt mit einem hohen Verkehrsaufkommen. Butzbach ist der Knotenpunkt für die Autobahn und zwei Bundesstraßen. Die B3, die zweitlängste deutsche Bundesstraße, führt auf ihrem Weg von Buxtehude nach Weil am Rhein durch Butzbach. Der Fernverkehr – Pkw und Schwerlastverkehr – zwängt sich durch enge Straßen und über den Marktplatz.
Die Verkehrssituation wird verschärft durch die Main-Weser-Bahn – sie spaltet den Ort in zwei Hälften. Ursprünglich drei, zum Zeitpunkt der Romanhandlung nur noch zwei Übergänge im Stadtgebiet, sind oft und lange geschlossen, denn Butzbach ist nicht nur Haltestation, sondern auch Rangierbahnhof.
Das Landgrafenschloss wird in einem Atem mit den touristischen Sehenswürdigkeiten aufgezählt. Tatsächlich unterhält die US-Army in dem historischen Gemäuer eine Kaserne – die Schloßkaserne. Militärischer Sperrbezirk! Butzbach ist ein berüchtigter Garnisonsstandort. Auf die genannten 10.000 Einwohner kommen noch einmal 5.000 US-Soldaten, was der Stadt eine Kneipendichte von legendärem Ausmaß beschert. Über 60 Gaststätten, darunter zahlreiche Bordelle, tragen der Stadt den Ruf ein, das Vergnügungsparadies im weiten Umkreis zu sein.
Vor diesem Hintergrund besonders brisant – die personelle und technische Ausstattung der kommunalen Polizei ist erbarmungswürdig!
Die Polizeistation befindet sich im Rathaus am Marktplatz. Eine Station der Military Police gibt es in Butzbach – noch – nicht. Ganze 13 Polizeibeamte, wovon ein einziger englisch spricht, sind zuständig für Sicherheit und Ordnung. Als Hilfsmittel dient ein altersschwacher Streifenwagen ohne Funk. Ein Rotes Licht wird im Fenster der Wache aufgehängt, um der Streife einen Einsatz anzuzeigen, wenn ihre Tour sie – von Zeit zu Zeit – über den Marktplatz führt.
Unterstützung erhält die Stadtpolizei vom Geschwader der Taxifahrer – als inoffizielle Eingreif- und Verstärkungstruppe bei Polizeieinsätzen und in der Nachrichtenübermittlung, wenn das rote Licht im Rathaus brennt...
Ein Rotes Licht, pikanterweise in unmittelbarer Nachbarschaft zu den örtlichen Rotlichtbetrieben!
Soweit zur realen Kulisse der Reihe der Butzbach-Krimi. Die Bücher vermitteln ein weitgehend authentisches Bild der Zeit. Bei aller Nähe zur Realität sind die Geschichten jedoch fiktiv. Wenn es der Handlung, vor allem der Spannung dient, bleibt es der schriftstellerischen Freiheit überlassen, Dinge zu verändern oder hinzuzufügen.