Leseprobe "Bitteres Paradies"

 

Er näherte sich einer Hofeinfahrt. Ein emailliertes Schild wurde von zwei Außenleuchten angestrahlt. 'Otto Granitz – Taxenfahrten. Ruf 935 – Tag und Nacht!' Vom Hof hinter dem Haus ertönte leise Musik. 'Zwei kleine Italiener, die träumten von Napoli ...', trällerte Conny Froboess heiter – demnach war Otto noch draußen zugange. Das Tor stand offen, und Grüninger beschloss kurzerhand, seinem Freund für den unkomplizierten und hilfreichen Fahrdienst noch einmal Dank zu sagen.

 '... Reise in den Süden ist für andre schick und fein, doch zwei kleine Italiener möchten gern zuhause sein' – Grüninger erhaschte eine weitere Textpassage. Leise, der dürre Klang von einem Autoradio. Im Näherkommen war mit einem Mal ein neues Geräusch zu hören, rhythmisch übertönte es die Musik.

Grüninger bog um die Hausecke. Da stand die schwarze Taxe, nicht mehr das allerneuste Modell, aber ein immer noch sehr gepflegter Mercedes 170 S-D. Im Schein der spärlichen Hofbeleuchtung erkannte Grüninger eine hagere Gestalt, die sich über ein liegendes Blechfass beugte. Granitz. Er bewegte eine kleine Pumpstange gleichmäßig vor und zurück. Als er Grüningers Schritte hörte, unterbrach er seine Tätigkeit und richtete sich auf. 'Oh Tina, oh Mariiiiina' – dudelte es nun wieder vernehmlich aus dem Wageninneren. Ein verlegenes Grinsen huschte über Granitz' Gesicht. Er stellte sich breitbeinig vor die Pumpvorrichtung, doch Grüninger hatte den Schlauch, der zum Tankstutzen der Taxe führte, längst bemerkt. Heizöldämpfe hingen schwer und penetrant zwischen ihnen in der feuchten Abendluft.

 "N' Abend, Otto", brummte Grüninger und tat, als habe er nichts gesehen. "Ich wollt' mich bloß noch mal bedanken."

 "Ist doch selbstverständlich, Emil, eine Hand wäscht die andere", erwiderte Granitz. "Das weißt Du doch." Dabei rieb er sich die ölverschmierten Hände an einem Lappen.

 Grüninger klopfte ihm auf die Schulter. "Na, dann will ich mal wieder. Schönen Feierabend. Und vergiss nicht, auch das da wegzuwischen." Er deutete auf ein dünnes Rinnsal, das von der Tanköffnung nach unten tropfte. "Wär' schade um den Lack." Mit einem schiefen Grinsen schlenderte er zurück zur Straße. Leben und leben lassen!